Die Velo-City-Konferenz ist der jährliche Flagship-Event der European Cyclists’ Federation (ECF) und wird vom ECF zusammen mit ausgewählten Gastgeberstädten jedes Jahr in einer anderen Stadt organisiert. Velo City ist der Radgipfel, der als globale Plattform für den Wissensaustausch und den politischen Transfer dient.
von Kathrin Kiwic
Ich freue mich sehr, dass ich dieses Jahr in Ljubljana aktiv daran teilnehmen durfte. Am 17. Juni hielt ich, im Rahmen der Academic Sessions einen Vortrag zum Thema „Einsatz agentenbasierter Modelle auf nationaler Ebene für eine bessere Radverkehrsplanung“. Gerne teile ich in diesem Blogbeitrag ein paar Punkte aus dem Vortrag.
Der Einsatz von Verkehrsmodellen ist für eine gesamtheitliche Optimierung der Verkehrsströme unverzichtbar. Wir bei Senozon setzen hierzu MATSim – eine open source Software, die unsere Gründer mitentwickelt haben – ein. Diese multiagenten-basierte Transportsimulation (MATSim) ist wirklich „state-of-the-art” im Modellieren von Verkehr und wegen ihrer hohen Auflösung (etwa bis 100 m × 100 m) auch besonders gut für Rad- und Fussgängerverkehre geeignet.
Senozon gelang es damit eine Planungsdatengrundlage für Deutschland, die Schweiz und Österreich zu erstellen. So können wir mit dem Modell bspw. folgende Mobilitätskennwerte für einen durchschnittlichen Werktag in der Schweiz berechnen:
Es gibt 28,2 Mio. Fahrten (Ortsveränderungen) an einem durchschnittlichen Arbeitstag in der Schweiz
Die meisten Fahrten sind Heimfahrten zur und
von der Arbeit, Freizeit und Besorgungen
80 % aller Fahrten sind kürzer als 10 km
8,8 Mio. dieser „kurzen“ Fahrten werden
mit dem Auto unternommen
Radfahren boomte während der Pandemie; der Radanteil an den Wegen bleibt hoch und könnte weiter steigen
Für den Radverkehr können wir damit auch Analysen von Ortsveränderungen über kürzere Wegedistanzen durchführen. Daraus lassen sich Abbildungen wie diese generieren:
Alle Fahrten an einem durchschnittlichen Arbeitstag in der Region Bern, die weniger als 10 km weit sind und mit dem Auto zurück-gelegt werden
Die Färbung der Sechsecke steht für die Anzahl der Fahrtantritte
Die Linien stellen das Verhältnis der Fahrten zwischen zwei Sechsecken dar
Die Hexagone (hier mit 1km ∅) stellen das Verkehrsaufkommen an einem mittlerem Werktag aus dem Senozon-Mobilitätsmodell dar
10 km Distanzen sind heute auch im bergigen Gelände mit Elektro-Velos gut bewältigbar. Die Analyse gibt Hinweise auf interessante Verkehrsachsen für den Radverkehr.
Wer jetzt denkt, das ist doch alles ganz einfach und logisch muss sich eines Besseren belehren lassen. So ist es bspw. ziemlich kompliziert die Routenwahl im Radverkehr zu verstehen und in einem Modell nachzubilden.
Radnetze sind kompliziert, umfangreich und meist nur unvollständig dokumentiert. Die verschiedenen Velo-Nutzerinnen weisen unterschiedliche Vorlieben auf und die Faktoren, die auf das Verhalten einwirken sind äusserst vielfältig:
Reisezeit, Entfernung
Vorhandensein von Radwegen, Verkehrsmengen, Steigung, Fahrbahnoberfläche, Sicherheitsempfinden (Ampeln, Linksabbieger…)
Landschaft, Natur, Wetter, Fitnesslevel…
Die ETH verwendet aktuell Ergebnisse der Mobis Studie , die das Verkehrsverhalten der SchweizerInnen untersucht, um damit jetzt auch das Routenwahlverhalten von RadlerInnen besser zu verstehen:
Kürzeste vs. Velo-freundliche Route
Kürzeste Route (rot): Straßenbahn und starker Verkehr auf dem südlichen Teil, Waldwege und unebenes Gelände auf dem nördlichen Teil
Radfahrerfreundliche Route (grün): Radwege und ruhige Wohnstraßen, wo immer möglich
Quelle: ETH Matteo Felder
Mit den Ergebnissen werden wir unsere MATSim-Simulationen für den Radverkehr weiter verbessern und so unseren Beitrag für die bedarfsgerechte Verbesserung der Radwegenetze leisten.
Den Vortrag habe ich mit sechs Thesen zur Verbesserung der Radverkehrsmodellierung und -förderung beendet:
Behandlung der aktiven Mobilität wie eine „echte“ Verkehrsart
Stärkerer Fokus von Planung und Modellierung auf Fahrräder
Ein besseres Verständnis des Mobilitätsverhaltens von RadfahrerInnen
Verbesserung der digitalen Qualität von Fahrradnetzen für Modelle
Verständnis und Modellierung der Interaktion zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern
Unterscheidung zwischen Fahrrädern, E-Bikes, Bike-Sharing usw.
Ganz herzlich möchte ich mich bei meinen Senozon Kollegen Dr. Michael Balmer (Gründer der Senozon), Thomas Haupt (CEO) und Dr. Matteo Felder (jetzt ETH) für ihre Mitarbeit und die Unterstützung beim Schreiben des Vortrags bedanken.
Die Quellen für die Präsentation sind die folgenden:
Senozon Modell Characteristics CH2021.osm Pre-Corona
Hintermann, Beat, Schoeman, Beaumont, Molloy, Joseph, Schatzmann, Thomas, Tchervenkov, Christopher and Kay W. Axhausen. 2021. The impact of COVID- 19 on mobility choices in Switzerland. 2021/10.
Senozon AG Technoparkstrasse 1 8005 Zurich Switzerland
Senozon Deutschland GmbH c/o Next-Level-Offices Franklinstraße 11 10587 Berlin Germany
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